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Kaiserschnitt, Sectio caesarea, kurz: Sectio

Historisches

Kaiserschnitt: Illustration aus dem 17. Jahrhundert   

Dieses Verfahren gehört neben den Schädelöffnungen mit zu den ältesten chirurgischen Eingriffen und ist auch bei Naturvölkern bekannt. Plinius der Ältere (23/24 n.Chr. bis 79 n.Chr.) führte die Bezeichnung auf Julius Caesar (100 v.Chr. bis 44 v.Chr.) zurück, der angeblich durch eine Schnittentbindung auf die Welt kam. Man nimmt heute jedoch an, dass sich der Begriff der sectio caesarea von dem lateinischen Verb caedere (schneiden) herleitet und nicht vom Namen Caesar.
Es gilt als gesichert, dass seit dem Altertum der Kaiserschnitt angewendet wurde, um das Leben der Kinder nach dem Tod der Schwangeren zu retten. In Notsituationen wurde er auch ohne Narkose und ohne Beachtung der Sterilitätskriterien am lebendigen Leib der Mutter durchgeführt. Es versteht sich von selbst, dass die Sterberate unter diesen Bedingungen, die bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts anhielten, bei fast 100% lag.
Erst durch die Entdeckung der Asepsis, d.h. der Keimfreiheit, durch Ignaz Semmelweis sowie durch die Fortschritte in der Anästhesie konnte die Prognose für die Schwangere verbessert werden. Inzwischen ist die Sectio, wie der Mediziner den Eingriff nennt, in allen entwickelten Ländern eine risikoarme Routineoperation.

Häufigkeit
Die Kaiserschnittrate liegt heutzutage in den meisten Ländern bei 10-20% aller Geburten. In Industrieländern ist sie höher als in 3. Welt-Ländern, und besonders in hochtechnisierten Krankenhäusern wie z.B. Universitätskliniken kann diese Rate bis zu 30% betragen.
Ein hoher Lebensstandard korreliert mit einer größeren Häufigkeit von Kaiserschnitten, da

  • viele Ärzte den Kaiserschnitt bei verschiedenen vor und während der Geburt auftretenden Komplikationen bevorzugen
  • zunehmend auch die Möglichkeit besteht, auf Wunsch per Kaiserschnitt zu entbinden.

 

Einteilung
Von einem primären Kaiserschnitt spricht man, wenn die Schnittentbindung vor Einsetzen der Wehentätigkeit durchgeführt wird. Zu dieser Gruppe gehören bereits im Vorfeld geplante Kaiserschnitte. Im Gegensatz dazu spricht man von einem sekundären Kaiserschnitt, wenn dieser nach dem Einsetzen der Wehen, d.h. nach Geburtsbeginn erfolgt. Er ist in der Regel die Folge von Geburtskomplikationen, die rasches Handeln erfordern.


Indikation
Die Entscheidung, einen Kaiserschnitt vorzunehmen fällt, wenn das Risiko einer vaginalen Entbindung für Mutter und/oder Kind höher ist als beim Kaiserschnitt.


Primäre Sectio

  • bei Geburtshindernissen wie einer anomalen Lage des Kindes, z.B. Querlage oder Steißlage, Mehrlingsschwangerschaften mit ungünstiger Lage zumindest eines Kindes
  • einer Enge des mütterlichen Beckens (Schädel-Becken-Missverhältnis)
  • einer vor dem Muttermund liegenden Plazenta (Plazenta praevia)
  • Zustände, in denen das Risiko einer vaginalen Entbindung für die Mutter erhöht ist, wie z.B. Krampfleiden, bestimmte Augenerkrankungen, Herzfehler oder Gestosen
  • Hohes Infektionsrisiko für das Kind wie z.B. bei Herpes genitalis, Hepatitis B oder C, HIV

 


Sekundäre Sectio

  • Gefährdung des Kindes durch akuten Sauerstoffmangel, z.B. bei Nabelschnurvorfall; diese wird anhand von Veränderungen im CTG (Cardiotocogramm) oder durch eine Mikroblutuntersuchung des Kindes erkannt
  • unzureichender Geburtsfortschritt (Wehenschwäche)
  • Manche Indikationen, also Entscheidungsursachen, werden von den Ärzten unterschiedlich bewertet. So ist z.B. die Steißlage, auch Beckenendlage genannt, für viele Gynäkologen - vor allem bei Erstgebärenden - ein Grund für einen Kaiserschnitt, während andere Ärzte in der gleichen Situation durchaus eine vaginale Entbindung befürworten. Ähnliches gilt für Zwillings- und Mehrlingsschwangerschaften.

Anästhesie


  • Regionalanästhesie

Zur Betäubung der unteren Körperhälfte stehen zwei ähnliche Verfahren zur Verfügung, die beide mittels eines sog. "Kreuzstiches" durchgeführt werden: die Spinal- und die Periduralanästhesie (PDA). Bei beiden wird nach einer örtlichen Betäubung der Rückenmarkskanal zwischen zwei Lendenwirbeln mit einer feinen Nadel punktiert und ein Schmerzmittel, ein sog. Lokalanästhetikum, injiziert.
Der Unterschied zwischen der PDA und der Spinalanästhesie besteht darin, in welche Schicht des Rückenmarkskanals das Medikament gelangt. Außerdem wird bei der PDA ein Zugang gelegt und fixiert, sodass auch während und nach der Operation mit Hilfe eines Pumpsystems das Lokalanästhetikum nachinjiziert werden kann, während bei der Spinalanästhesie das Schmerzmedikament ähnlich einer "Spritze" nur einmalig gegeben wird.
Durch die Regionalanästhesie werden das Operationsgebiet und beide Beine betäubt, allerdings verspürt die Patientin noch Druck- und Zugbewegungen, die der Operateur durchführt. Insgesamt benötigt der Narkosearzt etwa 10 bis 15 Minuten Zeit, um die Anästhesie durchzuführen.


  • Vollnarkose

Eine Vollnarkose wird in den meisten Krankenhäusern nur bei extremer Zeitnot oder auf Wunsch der Mutter eingesetzt. Dabei ist maximale Eile geboten, um das Kind dem Einfluss der Narkotika und anderer Medikamente möglichst kurz auszusetzen. Insbesondere die Narkotika können aufgrund ihrer hemmenden Wirkung auf das Atemzentrum zu Atemstörungen beim Kind führen und eine vorübergehende Beatmung erforderlich machen.


Anästhesieform

Vorteile

Nachteile

Spinalanästhesie

  • Geburtserlebnis
  • raschere Kontaktaufnahme zum Kind
  • psychische Belastung durch bewusstes Erleben der Operation
  • ca. 15 min. Vorbereitungszeit
  • v.a. am Beginn Blutdruckabfall möglich
  • mögliche Folgen: Kopfschmerzen, Übelkeit

Vollnarkose

  • rascher Wirkungseintritt
  • Operation wird nicht bewusst erlebt
  • Narkose besser steuerbar
  • fehlendes Geburtserlebnis
  • Hemmung des Atemzentrums beim Kind
  • mögliche Folgen: Halsschmerzen, Heiserkeit, Benommenheit, Übelkeit


Operationsverlauf
Sobald die Narkosewirkung eingetreten ist, wird ein Harnkatheter gelegt und die obere Schambehaarung, auch als "Bikinizone" bezeichnet, abrasiert. Anschließend wird der Operationsbereich gewaschen und desinfiziert, meist eine Folie aufgeklebt und die Umgebung mit Tüchern abgedeckt. Ein Vorhang wird im Bereich des Oberbauches der Schwangeren angebracht, um den sterilen vom unsterilen Bereich zu trennen.
In vielen Krankenhäusern ist es dem Vater gestattet, im OP-Saal dabei zu sein, allerdings muss er sich dafür umziehen sowie Haube und Mundschutz anlegen.
Die Operation beginnt mit einem Unterbauchquerschnitt im Bereich der Bikinizone. Danach wird Schicht um Schicht möglichst stumpf, d.h. ohne Verwendung eines Messers, nur durch Aufdehnen gespalten (Methode nach Misgav-Ladach) und zuletzt die Gebärmutter eröffnet.
Der Kopf des Kindes wird manuell entwickelt und das Kind wird rasch geboren. Nach dem Durchtrennen der Nabelschnur wird das Baby der Hebamme übergeben. Bei einer Spinalanästhesie kann die Mutter ihr Kind noch im OP-Saal begrüßen.
Anschließend versorgen die Hebamme und, falls anwesend, der Kindesvater das Neugeborene, während der Chirurg noch die Plazenta entnimmt und zuletzt die Gebärmutter sowie die Bauchdecken wieder sorgfältig verschließt. Durch dieses schonende Operationsverfahren ist meist das Anlegen von Drainagen (Plastikschläuche zum Ableiten des Wundsekretes) nicht notwendig.
Nach dem Kaiserschnitt wird die frisch gebackene Mutter noch etwa zwei Stunden im Aufwachzimmer oder Kreißsaal überwacht. Es findet jetzt das so genannte "Bonding", das erste Entstehen der Mutter/Vater-Kind-Beziehung, statt. Daher sollten die Eltern angeregt werden, gleich nach der Entbindung einen möglichst intensiven Kontakt zu ihrem Baby aufzunehmen. Besonders nach einem Kaiserschnitt fällt dem Vater hier eine wichtige Rolle zu. Durch eine Vollnarkose könnte das Neugeborene jedoch ziemlich schläfrig sein - das Kennen lernen müsste auf einen späteren Zeitpunkt verschoben werden.
Des weiteren ist wie nach einer natürlichen Geburt das frühzeitige Anlegen des Kindes wichtig, um die Milchproduktion zu aktivieren und damit das Stillen in Gang zu bringen.
Nach einem Kaiserschnitt verläuft der Stillbeginn zwar manchmal etwas mühevoller als nach einer vaginalen Entbindung - davon sollte sich aber keine Mutter, die ihr Kind gerne stillen möchte, entmutigen lassen!
Besonders an den ersten beiden Tagen ist die Mutter durch die Bauchwunde noch nicht in der Lage, ihr Kind selbstständig zu versorgen und daher auf die Hilfe von nahestehenden Personen oder Krankenschwestern angewiesen. Bei komplikationslosem Verlauf ist sie etwa nach dem dritten Tag mobiler und nach etwa einer Woche können Mutter und Kind das Krankenhaus verlassen.
Das psychische Erleben der Mütter reicht von der Erleichterung darüber, eine ziemlich schmerzlose Geburt zu erfahren, bis zur Verzweiflung darüber, die Geburt und damit das erste gemeinsame Erlebnis mit ihrem Kind "verpasst" zu haben.


Pro und Contra: Kaiserschnitt auf Wunsch?
Die medizinische Notwendigkeit des Kaiserschnittes in Geburtssituationen, die eine Gefährdung für Mutter und/oder Kind darstellen, ist wohl unbestritten. Immer öfter wird aber auch der Kaiserschnitt als Alternative zu einer vaginalen Entbindung angeboten. Die Vorteile sind in erster Linie bessere Planbarkeit, geringere Schmerzbelastung für die Mutter - abgesehen vom postoperativen Wundschmerz - sowie die höhere Sicherheit für das Kind.
Diesen gegenüber zu stellen sind aber die möglichen Komplikationen eines Kaiserschnittes für Mutter und Kind. Dazu zählen für die Mutter einerseits die typischen postoperativen Komplikationen, wie z.B. Blutungen, Wundinfektionen, Thrombosen/Embolien oder die Bildung von Verwachsungen. Hinzu kommt die Gefahr einer Behinderung späterer Schwangerschaften bis hin zur Unfruchtbarkeit. Das Risiko für die Mutter, an den Komplikationen eines Kaiserschnittes zu versterben ist zwar minimal, aber doch 2-3-mal höher als nach einer vaginalen Entbindung.
Seitens des Kindes können Atemstörungen durch das "Verschlucken" von Fruchtwasser in die Luftwege (Aspiration) oder die ungenügende Entleerung der kindlichen Lungen von Fruchtwasser infolge des fehlenden Druckes im Geburtskanal auftreten. Es muss an dieser Stelle jedoch betont werden, dass die Gefährdung des Kindes eher durch die dem Kaiserschnitt zugrunde liegende Ursache als durch die Operation selbst hervorgerufen wird.
Aus ganzheitlicher Sicht geht man heute davon aus, dass eine natürliche Geburt dann beginnt, wenn bisher noch unbekannte kindliche Faktoren das Einsetzen der Geburtswehen auslösen. Erst durch die Wehen erfährt das Kind, dass es nun seine sichere Höhle verlassen soll.
Wird das Kind jedoch vor dem Einsetzen der Wehen durch einen Kaiserschnitt geboren, so wird es vollkommen unvorbereitet aus der Geborgenheit im Mutterleib gerissen und durch die unbekannte Außenwelt (Licht, Kälte, Lärm) erschreckt. Verfechter dieser Geburtsphilosophie empfehlen daher, einen geplanten Kaiserschnitt möglichst erst nach Wehenbeginn vorzunehmen. Wenn das nicht möglich ist, sollte sich die Mutter mit dieser Problematik auseinandersetzen und sich und ihr Kind mental auf die Geburt vorbereiten.
Die Entscheidung, ob ein Wunschkaiserschnitt gemacht werden soll, liegt letztendlich allein bei der werdenden Mutter und sollte von ihr von ganzem Herzen getroffen werden. Daher ist es für die Schwangere wichtig, alle Argumente für eine vaginale Geburt und für einen Kaiserschnitt entsprechend ihrer persönliche Situation gegeneinander abzuwägen und kritisch zu überdenken. Ausführliche Gespräche über ihre Wünsche und Ängste mit dem Partner, dem Arzt, einer Hebamme oder anderen Frauen, die bereits einen Kaiserschnitt hatten, können der Schwangeren helfen, die beste Lösung für sich und Ihr Kind zu finden.


Nachbetreuung
Vor allem, wenn die Entscheidung für einen Kaiserschnitt erst unter der Geburt getroffen wird, können die Angst um ihr Kind sowie die unerwartete Operation und das fehlende bzw. negative Geburtserlebnis die Eltern psychisch stark belasten. Ausführliche Gespräche mit Arzt und/oder Hebamme sind dann sehr wichtig, um Unklarheiten zu beseitigen und damit das Erlebte möglichst gut zu verarbeiten. Zusätzlich werden an verschiedenen Stellen, wie in Krankenhäusern, in Hebammenzentren oder bei Psychologen Kaiserschnittgruppen geführt, in denen Betroffene sich austauschen können.


Schwanger nach Kaiserschnitt
Bei einer erneuten Schwangerschaft, v.a., wenn diese innerhalb von zwei Jahren nach dem Kaiserschnitt eintritt, ist eine intensive ärztliche Betreuung notwendig. Ein Kaiserschnitt kann prinzipiell mehrfach durchgeführt werden. Andererseits können Frauen nach einem Kaiserschnitt bei späteren Schwangerschaften ihre Kinder auch auf normalem Weg bekommen. Eine seltene, aber gefürchtete Komplikation ist in diesem Fall die Uterusruptur, also der Gebärmutterriss. Besprechen Sie mit Ihrem Arzt, welche Form der Entbindung in Ihrem Fall anzuraten ist.




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